Transgenerationales Trauma – also die Weitergabe seelischer Verletzungen über Generationen hinweg – ist für viele Menschen ein noch unbekanntes Phänomen. Dabei kennen wir ein ähnliches Prinzip längst: Wenn ein Arzt uns fragt „Sind in Ihrer Familie Herz- oder Krebserkrankungen aufgetreten?“, wundern wir uns nicht. Denn wir wissen: Manches wird vererbt.
Was weniger bekannt ist: Auch seelische Verletzungen und Traumata können in unseren Genen gespeichert sein – oder sich über Erziehung, Bindungsverhalten und unausgesprochene Gefühle weitervererben.
In diesem Artikel erfährst du, was ein transgenerationales Trauma ist, wie du erkennst, ob du betroffen bist, und welche therapeutischen wie spirituellen Wege es gibt, dich von übernommenem Schmerz zu befreien. Mit wissenschaftlichen Studien, persönlichen Beispielen und praktischen Impulsen.
Die 3 wichtigsten Erkenntnisse
Traumatische Erfahrungen können weitergegeben werden – psychologisch und biologisch.
Studien zeigen: Unerlöste Traumata wirken nicht nur im Leben der direkt Betroffenen, sondern können auch über Generationen hinweg Spuren hinterlassen -sogar auf genetischer Ebene.
Viele Betroffene spüren ein inneres Unbehagen, ohne den Ursprung benennen zu können.
Chronischer Stress, Beziehungsprobleme, Schuldgefühle oder unerklärliche Ängste – all das kann Ausdruck eines transgenerationalen Traumas sein.
Heilung ist möglich: durch therapeutische Arbeit, Körperbewusstsein und spirituelle Praxis.
Ob mit psychologischer Begleitung oder durch Rituale und Ahnenerforschung: Es gibt Wege, vererbte Wunden zu erkennen, zu verstehen und zu lösen.
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Dieser Artikel ersetzt keine psychotherapeutische, medizinische oder psychiatrische Behandlung.
Wenn du das Gefühl hast, dass dich die beschriebenen Themen stark belasten oder du Unterstützung brauchst, empfehlen wir dir, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Was du fühlst, ist nicht (nur) deins
Als Lea das erste Mal in der Praxis ihrer Therapeutin sitzt, kann sie kaum erklären, warum sie da ist. „Mir geht’s eigentlich gut“, sagt sie. Sie hat einen Job, den viele beneiden würden, einen liebevollen Partner, keine großen Krisen. Und doch: Sie schläft schlecht. Sie hat oft das Gefühl, sich anpassen zu müssen, als würde etwas Unsichtbares in ihr Leben hineinregieren. In engen Beziehungen zieht sie sich zurück. Sie erkennt, dass da ein immer wiederkehrendes Muster vorherrscht.
„Ich weiß nicht, wo das herkommt“, sagt sie. „Meine Kindheit war okay. Ich hab keine Erklärung.“
Die Therapeutin fragt sie nach ihrer Familiengeschichte. Lea erzählt zögerlich von ihrem Großvater, der aus Schlesien fliehen musste, von einer Großmutter, die nie über ihre Vergangenheit sprach. Vom Schweigen in der Familie. Von diffusen Schuldgefühlen, die immer da waren. Und plötzlich beginnt sich etwas zu bewegen.
Was, wenn der Schmerz in uns manchmal gar nicht unser Schmerz ist?
Was, wenn wir Erfahrungen weitertragen, die nie ausgesprochen wurden, aber nie aufgehört haben zu wirken?
Was ist transgenerationales Trauma?
Ein transgenerationales Trauma, auch als intergenerationale Traumafolgen oder vererbtes Trauma bezeichnet, beschreibt die Weitergabe traumatischer Erfahrungen von einer Generation zur nächsten. Das bedeutet: Eine Person erlebt ein schweres Trauma, verarbeitet es jedoch nicht vollständig. Die Folgen dieses Traumas wirken in ihren Kindern, Enkeln oder sogar Urenkeln weiter, obwohl diese selbst das ursprüngliche Ereignis nie erlebt haben.
Diese Art der Weitergabe kann auf zwei Ebenen stattfinden:
- Psychosozial: über Erziehung, Bindung, unausgesprochene Regeln, Schuldgefühle, Angst oder übermäßige Fürsorge
- Biologisch (epigenetisch): über Veränderungen in der Genregulation, die infolge von extremem Stress entstehen und an Nachkommen weitergegeben werden können
Psychologische Weitergabe: Trauma ohne Worte
Die psychosoziale Weitergabe von Trauma ist inzwischen gut belegt. Sie erfolgt oft über familiäre Dynamiken, unausgesprochene Gefühle und Verhaltensmuster, die sich tief ins Erleben der nächsten Generation einschreiben.
Traumatisierte Eltern oder Großeltern:
- vermeiden bestimmte Themen (z. B. Krieg, Verlust, Gewalt)
- geben unbewusst Ängste, Schuld oder Scham weiter
- haben Schwierigkeiten mit Nähe, Grenzen, Vertrauen
- entwickeln Überlebensstrategien, die Kinder übernehmen – auch wenn keine Gefahr mehr besteht
Typische Muster:
- „Ich darf nicht auffallen.“
- „Ich muss stark sein, sonst bricht alles zusammen.“
- „Ich trage die Schuld für etwas, das ich nicht verstehe.“
Diese emotionalen Erbschaften beeinflussen die Beziehungsfähigkeit, das Selbstwertgefühl, die Stresstoleranz und das Bindungsverhalten – oft ohne dass die Betroffenen wissen, warum.
Die epigenetische Vererbung von Trauma: was sagt die Forschung?
Neben dem psychologischen Erbe gibt es zunehmend Hinweise darauf, dass traumatische Erfahrungen auch biologische Spuren im Körper hinterlassen können, die an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Die Epigenetik untersucht, wie Umweltfaktoren wie starker Stress oder Trauma die Aktivität von Genen beeinflussen, ohne die DNA selbst zu verändern.
Solche epigenetischen Veränderungen, etwa durch DNA-Methylierung, können die Hormonregulation, Stressverarbeitung und emotionale Resilienz der Nachkommen beeinflussen – möglicherweise sogar über mehrere Generationen hinweg.
Typische Ursachen transgenerationaler Traumata
- Krieg und Flucht (z. B. Weltkriegsenkel, Exilgeschichten)
- Holocaust, Genozide, politische Verfolgung
- Familiäre Gewalt, Missbrauch, psychische Erkrankungen
- Armut, Sucht, Suizide in der Familie
- Kolonialismus und systemischer Rassismus
- Eltern mit eigener Traumatisierung (z. B. durch Kindheit oder Migration)
Relevante Studien & Nachweise:
Die Forschung zur epigenetischen Vererbung ist ein junger, aber wachsender Bereich. Während Tierversuche den Mechanismus klar belegen können, sind beim Menschen die Zusammenhänge komplexer und noch nicht vollständig entschlüsselt. Dennoch liefern Studien starke Hinweise darauf, dass schwere Traumata tiefgreifende biologische Spuren hinterlassen können – mit spürbaren Auswirkungen auf die nächste Generation.
- Rachel Yehuda et al. (2014, Biological Psychiatry):
Kinder von Holocaust-Überlebenden zeigten veränderte DNA-Methylierungsmuster am FKBP5-Gen, das an der Regulation der Stressantwort beteiligt ist. Die Studie liefert einen der stärksten Belege für epigenetische Vererbung beim Menschen.
🔗 Quelle: PubMed ID 24832930 - Scientific American (2015):
Der Artikel beschreibt die Forschung von Yehuda und ihren Kollegen und erläutert, wie niedrige Basiscortisolwerte bei den Nachkommen traumatisierter Menschen auf eine gestörte Hormonantwort hinweisen – vergleichbar mit chronischem Stressverhalten.
🔗 Quelle: Scientific American, “Descendants of Holocaust Survivors Have Altered Stress Hormones” - Perroud et al. (2014, Epigenetics): Eine Studie mit Kindern von Frauen, die während des Genozids in Ruanda schwerste Traumatisierungen erlebt hatten, zeigte signifikante epigenetische Veränderungen am Gen NR3C1 – ähnlich wie bei den Holocaust-Studien.
🔗 Quelle: Perroud et al., 2014 – Epigenetics - Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik (2023): Eine Übersicht erklärt, dass traumatische Erfahrungen epigenetische Spuren hinterlassen, die sowohl in Tiermodellen als auch in Humanstudien verändertes Verhalten, Ängstlichkeit und erhöhte Stressempfindlichkeit über Generationen hinweg beeinflussen können.
🔗 Quelle: Max-Planck-Institut Freiburg – „Wie wir Trauma erben“ - Deutschlandfunk Kultur (2025): „Neurobiologie des Traumas – wie sich Traumata ins Erbgut einschreiben“: Marko Pauli erklärt hier, wie Traumata sowohl psychologisch als auch biologisch weitergegeben werden – inklusive Auswirkungen auf Verhalten, Stressverarbeitung und Arbeitsumfeld.
🔗 [Deutschlandfunk Kultur, April 2025 – Neurobiologie des Traumas
Transgenerationale Traumata sind real, spürbar und zunehmend erforscht. Sie zeigen sich nicht immer durch offensichtliche Symptome, sondern häufig durch unterschwellige, wiederkehrende Muster: innere Leere, übermäßige Anpassung, Beziehungsprobleme oder ein Gefühl, „fremden Kummer zu tragen“.
Die gute Nachricht: Auch wenn das Trauma nicht von dir stammt – die Heilung kann bei dir beginnen.
Woran erkenne ich, ob ich ein Trauma geerbt habe?
Transgenerationales Trauma wirkt oft leise – und genau das macht es so schwer zu erkennen. Viele Betroffene wachsen ohne offensichtliche Gewalt oder Missbrauch auf, und doch begleitet sie ein Gefühl von innerer Unruhe, Schwere oder Unsicherheit, das sie sich nicht erklären können.
Die Symptome sind nicht immer eindeutig, sie erscheinen oft wie chronischer Stress, diffuse Ängste, Selbstzweifel oder Bindungsprobleme – und sind häufig schwer einem bestimmten Lebensereignis zuzuordnen. Genau das ist typisch für vererbte Traumamuster.
Häufige psychische und emotionale Anzeichen
- Chronische Angst oder Unsicherheit, ohne objektiven Auslöser
- Überverantwortung oder Schuldgefühle, besonders in familiären Beziehungen
- Gefühl, nicht genug zu sein, übermäßiger Leistungsdruck
- Überanpassung oder emotionale Distanziertheit
- Bindungsschwierigkeiten, Nähe vermeiden oder stark klammern
- Wiederholende destruktive Beziehungsmuster
Diese Symptome entstehen nicht aus dem Nichts. Sie haben oft Wurzeln in ungesehenen Dynamiken oder unausgesprochenem Leid innerhalb der Familie.
Körperliche Hinweise (Psychosomatik)
- Spannungskopfschmerzen, Schlafprobleme, chronische Müdigkeit
- Magen-Darm-Beschwerden ohne medizinische Ursache
- Migräne, Hautreaktionen, Herzrasen
- Hochsensibilität gegenüber Lautstärke, Gerüchen oder emotionalen Spannungen
Familiendynamiken als Warnzeichen
- Familiäre Geheimnisse oder Tabus, z. B. verschwiegene Verluste, Suizide, Missbrauch
- Generationenübergreifendes Schweigen über traumatische Ereignisse (Krieg, Flucht, Gewalt)
- „Heldengenerationen“ oder „Opfermythen“, die nicht hinterfragt werden dürfen
- Wiederkehrende Muster: z. B. emotionale Kälte, Alkoholmissbrauch, Partnerschaftsprobleme über mehrere Generationen hinweg
Beispiel: Generationenübergreifende Angst
Ein Mann Mitte 30 berichtet in der Therapie von einer unerklärlichen Panik, sobald er Geräusche von Flugzeugen hört. In seiner Lebensgeschichte gibt es keinen Zusammenhang, bis er erfährt, dass sein Großvater als Kind im Krieg Bombenangriffe überlebte. Der Großvater sprach nie darüber – aber die Angst hat überlebt.
Selbstreflexion: Bin ich betroffen?
Stelle dir folgende Fragen – nicht zur Selbstdiagnose, sondern zur Anregung innerer Achtsamkeit:
- Gibt es in deiner Familie Ereignisse, über die nie gesprochen wurde?
- Hast du schon als Kind gespürt, dass du für die Stimmung oder Sicherheit anderer verantwortlich bist?
- Hast du das Gefühl, ein Leben zu führen, das nicht ganz deins ist?
- Reagierst du manchmal übertrieben sensibel auf bestimmte Situationen, ohne zu wissen, warum?
- Kennst du Beziehungsmuster, die sich wiederholen, obwohl du sie eigentlich durchbrechen willst?
Wenn mehrere dieser Aussagen innerlich „ja“ rufen, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Was du fühlst, ist vielleicht älter als du denkst.
Forschung & Hintergrund
- Daniel Schechter et al. (2024)
In einem Review zur intergenerationalen Traumaübertragung durch elterliche Gewalt zeigt Schechter et al., dass Mütter mit PTSD durch interpersonelle Gewalt (IPV) negative Folgen auf die emotional-soziale und körperliche Entwicklung ihrer Kinder haben können, auch wenn die Betreuung liebevoll erfolgt. 🔗Quelle: https://doi.org/10.1007/s11920-024-01491-7 - Historical Intergenerational Trauma Questionnaire (HITT‑Q)
Der HITT‑Q wurde 2024 von Békés & Starrs entwickelt und mit 104 Holocaust-Nachkommen validiert. Er erfasst insgesamt 12 Dimensionen historisch‑transgenerationaler Traumafolgen (z. B. dysfunktionale Kommunikation, Verantwortungsübernahme, moralische Schuld). 🔗Quelle: PubMed-Eintrag: PMID 38530844
- Die American Psychological Association (APA) beschreibt in ihrer Analyse “The legacy of trauma” (2019), wie sich intergenerationale Traumata nicht nur im Privaten, sondern auch in Arbeitsumfeldern und Führungsethik bemerkbar machen – insbesondere durch Übertragungen unbewusster Schutzmechanismen auf Kolleg:innen und Mitarbeitende.
🔗Quelle: APA, 2019 – The Legacy of Trauma - Ein Artikel in Psychology Today (2024) nennt konkrete Auswirkungen von Ahnentrauma im Arbeitsumfeld: emotionale Reaktivität, Selbstwertprobleme, Probleme mit Autoritäten – aber auch erhöhte Empathie, Anpassungsfähigkeit und Führungsstärke, wenn Heilungsprozesse angestoßen wurden.
🔗Quelle: Psychology Today, 2024 – Healing Ancestral Trauma - Die Forbes-Analyse „The Hidden Workforce Crisis“ (2024) sieht in der Auseinandersetzung mit familiären Traumamustern einen Erfolgsfaktor für gesunde Unternehmenskultur und resiliente Führungsteams.
🔗Quelle: Forbes, 2024 – Hidden Workforce Crisis - TraumaHelden, eine deutsche Initiative für Trauma-Integration, arbeitet mit Firmen an der Heilung kollektiver und transgenerationaler Traumata, weil diese tiefliegende Ressourcen freisetzen und eine resiliente Arbeitsebene schaffen traumahelden.de.
Wenn du das Gefühl hast, etwas in deinem Leben sei „nicht stimmig“, ohne dass du den Ursprung benennen kannst, könnte es sich lohnen, den Blick zu weiten: über dein eigenes Leben hinaus.
Vererbtes Trauma ist kein Schicksal, dem du machtlos ausgeliefert bist. Es kann zu einem Schlüssel werden: für Erkenntnis, Heilung und für tiefen inneren Frieden.
Wie heilt man transgenerationale Traumata?
Transgenerationales Trauma kann überwältigend wirken – gerade, weil es nicht aus eigener Erfahrung stammt und oft im Verborgenen wirkt. Doch die gute Nachricht ist: Heilung ist möglich. Und sie beginnt mit Bewusstwerdung.
Heilung bedeutet nicht, die Vergangenheit auszulöschen, sondern sie zu integrieren. Sie bedeutet, sich von übernommenen Lasten zu lösen und die eigene Geschichte neu zu schreiben. Dafür gibt es verschiedene Wege. Manche Menschen finden Hilfe in der Psychotherapie, andere in Körperarbeit oder spirituellen Praktiken. Viele kombinieren mehrere Ansätze.
Heilung durch psychotherapeutische und körperorientierte Wege
1. Traumatherapie: Stabilisierung 🟢 Verarbeitung 🟢 Integration
Bewährte Traumatherapien helfen, belastende Gefühle und Überlebensstrategien bewusst zu machen und emotional zu integrieren:
- Trauma-Focused Cognitive Behavioral Therapy (TF-CBT)
Besonders wirksam bei Kindern und Jugendlichen. Fördert Emotionsregulation, sicheres Bindungsverhalten und das Auflösen dysfunktionaler Glaubenssätze . - EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
Durch geführte Augenbewegungen oder bilaterale Stimulation werden blockierte Traumata prozessorientiert gelöst. - Narrative Exposure Therapy (NET)
Wird u. a. bei Geflüchteten eingesetzt. Der Lebenslauf wird wie ein „Zeitstrahl“ rekonstruiert, um traumatische und sichere Ereignisse zu verknüpfen. - IFS (Internal Family Systems)
Erforscht innere Persönlichkeitsanteile (z. B. „der innere Beschützer“ oder „das verletzte Kind“) und bringt sie in Kommunikation.
2. Körperorientierte Verfahren
Weil viele Trauma-Spuren nicht sprachlich sind, sondern im Nervensystem sitzen, ist der Körper ein zentraler Schlüssel zur Heilung:
- Somatic Experiencing (Peter Levine)
Löst eingefrorene Stresszustände, ohne die Geschichte neu zu erzählen . - TRE (Tension & Trauma Releasing Exercises)
Aktiviert durch spezielle Übungen neurogene Zitterbewegungen, die im Körper gespeicherten Stress lösen . - Yoga, Atemarbeit, Achtsamkeitstraining
Reduzieren Stresshormone, stärken Selbstwahrnehmung und emotionale Regulation.
3. Systemische Therapie & Aufstellungen
- In systemischen Aufstellungen werden unbewusste Bindungen, Verstrickungen oder Loyalitäten gegenüber früheren Familienmitgliedern sichtbar gemacht.
- Sie ermöglichen ein neues inneres Bild und damit oft tiefgreifende emotionale Entlastung .
Beispiel: Zurückgabe der Verantwortung
Eine Frau entdeckt in der systemischen Aufstellung, dass sie unbewusst das Schicksal ihrer Großmutter „mitträgt“, die im Krieg ein Kind verloren hatte. Nach der symbolischen „Zurückgabe der Verantwortung“ beginnt sie, zum ersten Mal echte Lebensfreude zu empfinden – ohne Schuld.
Heilung durch spirituelle Praxis & innere Anbindung
Nicht jeder Weg führt über die Therapie. Auch Rituale, Ahnenerfahrungen und spirituelle Praxis können helfen, vererbte Wunden zu heilen.
1. Ahnenarbeit
- In schamanischen Traditionen wie auch in modernen Kontexten geht es darum, mit den eigenen Vorfahren in Kontakt zu treten – nicht im Sinne des Glaubens, sondern als innerer Prozess der Versöhnung, Würdigung und Loslösung.
- Rituale, Briefe, Meditationen oder symbolische Übergaben können helfen, nicht zu Ende gelebte Geschichten bewusst zu beenden.
2. Cacao-Zeremonien
- In schamanischen Traditionen wie auch in modernen Kontexten geht es darum, mit den eigenen Vorfahren in Kontakt zu treten – nicht im Sinne des Glaubens, sondern als innerer Prozess der Versöhnung, Würdigung und Loslösung.
- Rituale, Briefe, Meditationen oder symbolische Übergaben können helfen, nicht zu Ende gelebte Geschichten bewusst zu beenden.
3. Atemarbeit (z. B. Holotropes Atmen, Transformational Breath)
- Über bewusstes, verbundenes Atmen werden tief liegende emotionale Schichten aktiviert.
- Studien zeigen, dass Atemarbeit ähnliche Zustände wie Trance oder Meditation hervorrufen kann und zur Verarbeitung von Traumata beiträgt.
4. Räucherrituale, Klangreisen, Meditation
- Pflanzen wie Salbei oder Palo Santo können emotionale Klärung unterstützen.
- Klangreisen und Frequenzen (z. B. 432 Hz) wirken über Schwingung auf das Nervensystem.
- Meditation hilft, sich selbst zu regulieren und emotionale Altlasten loszulassen.
Hinweis
Spirituelle Methoden sind kein Ersatz für Traumatherapie – können aber tiefgehende Prozesse unterstützen, wenn sie bewusst, achtsam und respektvoll eingesetzt werden.
Es gibt nicht den einen Weg zur Heilung.
Aber es gibt viele Möglichkeiten, sich dem inneren Schmerz zu nähern, ihn zu verstehen – und Stück für Stück loszulassen. Der erste Schritt ist oft der schwierigste: sich einzugestehen, dass da etwas wirkt, das älter ist als man selbst.
Doch wer diesen Schritt geht, betritt einen Raum voller Potenzial: für Integration, für Freiheit – und für ein Leben, das wirklich das eigene ist.
Was du selbst tun kannst: erste Schritte zur Befreiung von übernommenem Schmerz
Nicht jede*r hat sofort Zugang zu Therapieplätzen oder das Bedürfnis nach tiefgreifender spiritueller Arbeit. Aber Heilung beginnt oft viel früher: im Alltag, im Erkennen, im Spüren, in den Gesprächen mit Verwandten, Ansehen alter Fotoalben. Auch kleine, bewusste Schritte können Veränderung bringen.
Hier sind Möglichkeiten, wie du beginnen kannst:
1. Erkunde deine Familiengeschichte
Sprich – wenn möglich – mit Eltern, Großeltern, Tanten oder Onkeln. Frage nicht nur nach Fakten, sondern auch nach dem Unsichtbaren: Was wurde nie ausgesprochen? Worüber wurde nie gesprochen?
Beispielfragen:
- Gab es in unserer Familie große Verluste, Flucht, Gewalt, Entwurzelung?
- Wurden bestimmte Themen vermieden oder tabuisiert?
- Gibt es Muster, die sich in Beziehungen, Krankheit, Sucht oder Erziehung wiederholen?
Tipp: Auch alte Fotos, Briefe, Dokumente oder Grabsteine können Hinweise auf unausgesprochene Geschichten liefern.
2. Zeichne deinen emotionalen Stammbaum
Nicht nur „wer war mit wem verwandt?“, sondern: Wer war wem wie emotional verbunden?
Gibt es enge Bindungen über Generationen hinweg – oder klaffende Lücken? Gab es Rollen, die übernommen wurden (z. B. „die Starke“, „der Unsichtbare“)? Welche wiederkehrenden Glaubenssätze tauchen in deiner Linie auf?
🖊️ Visualisiere dein Familiensystem mit Farben oder Symbolen. So wird das Unsichtbare sichtbar.
3. Schreibe dir deine Geschichte von der Seele
Nutze Journaling, um das diffuse Gefühl von „etwas stimmt nicht“ in Worte zu fassen. Du musst nicht wissen, was genau passiert ist. Aber du darfst fragen:
- Was trage ich, das vielleicht nicht (nur) meins ist?
- Welcher Schmerz zeigt sich in meinem Körper, in meinen Beziehungen, in meinem Alltag?
- Was möchte ich endlich loslassen?
🖊️ Schreibimpuls: „Ich gebe zurück, was nicht zu mir gehört …“
4. Etabliere kleine Rituale zur Selbstverankerung
Je sicherer dein Nervensystem, desto mehr ist Heilung möglich. Schon einfache, regelmäßige Übungen helfen, dich zu regulieren:
- tägliche Atemübungen (z. B. 4 Sekunden einatmen – 6 Sekunden ausatmen)
- Barfußgehen in der Natur
- sich bewusst an einen Ort setzen und sagen: „Ich bin hier. Und ich bin sicher.“
5. Entwickle ein persönliches Ahnenritual
Auch ohne genaue Namen oder Geschichten kannst du deine Linie ehren und dich energetisch davon lösen, was nicht mehr zu dir gehört.
Mögliches Ritual:
- Zünde eine Kerze an, stelle ein Foto oder Symbol deiner Vorfahren dazu.
- Sprich laut: „Ich danke euch für mein Leben. Was ich für euch getragen habe, gebe ich euch jetzt liebevoll zurück.“
- Atme tief durch und schließe mit dem Satz: „Ich darf meinen eigenen Weg gehen.“
6. Hol dir professionelle Begleitung
Manchmal ist die Selbstarbeit der Anfang, aber nicht genug. Wenn du spürst, dass alte Muster zu viel Raum einnehmen oder dich emotional überwältigen: Therapie, Coaching oder körperorientierte Methoden können dir helfen, tiefer zu gehen – und sicher wieder aufzutauchen.
Tipp: Achte auf traumasensible oder systemisch ausgebildete Fachpersonen. Auch transkulturell arbeitende Therapeut:innen können hilfreich sein, wenn Migration, Krieg oder koloniale Gewalt Teil der Familiengeschichte sind.
Quellen:
Wissenschaft & Epigenetik
- Yehuda, R. et al. (2014). Holocaust exposure induced intergenerational effects on FKBP5 methylation. Biological Psychiatry. PubMed 24832930
- Perroud, N. et al. (2014). Increased methylation of NR3C1 in children of abused Rwandan women. World Journal of Biological Psychiatry. DOI: 10.3109/15622975.2013.872295
- Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik (2023). Ein Trauma erben. Wie geht das? Link
- Scientific American (2015). Descendants of Holocaust Survivors Have Altered Stress Hormones. Link
Psychosoziale Weitergabe & Symptome
- Daniel S. Schechter et al. (2024). The Impact of Maternal Interpersonal Violent Trauma and Related Psychopathology on Child Outcomes and Intergenerational Transmission. Current Psychiatry Reports. DOI: 10.1007/s11920-024-01491-7
- Békés, V., Starrs, C.J. (2024). Assessing transgenerational trauma transmission: development and psychometric properties of the Historical Intergenerational Trauma Transmission Questionnaire (HITT-Q). European Journal of Psychotraumatology. DOI: 10.1080/20008066.2024.2329510
Arbeitskontext & Gesellschaft
American Psychological Association (2019). The legacy of trauma. Link
Buchempfehlungen:
- Sabine Lück (2023): Vererbtes Schicksal: Wie wir belastende Familienmuster überwinden und unser wahres Potenzial befreien – Das große Praxisprogramm
- Sabine Lück (2025): Vererbtes Glück: Wie Eltern und Kinder gemeinsam Familientraumata heilen können
- Ingrid Alexander, Sabine Lück (2016): Ahnen auf die Couch: Den Generation-Code® entschlüsseln und vererbte Wunden heilen
- Noémi Orvos–Tóth (2024): Vererbte Familienwunden: Generationsübergreifende Muster erkennen und auflösen
- Gina Kümmel (2025): Durchbrich den Kreislauf: Wie familiäres Trauma Generationen prägt und es dir gelingt, dich davon zu befreien. Transgenerationales Trauma überwinden und heilen
- Marianne Rauwald (2020): Vererbte Wunden: Transgenerationale Weitergabe traumatischer Erfahrungen.
- Marc Wolynn (2017): Dieser Schmerz ist nicht meiner: Wie wir uns mit dem seelischen Erbe unserer Familie aussöhnen
- Karl Heinz Brisch (2022): Trauma und Bindung zwischen den Generationen: Vererbte Wunden und Resilienz in Therapie, Beratung und Prävention
- Sabine Bode (2013): Kriegsenkel – Die Erben der vergessenen Generation.
- Franz Ruppert (2018): Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft? Kösel, 2021.
- Michaela Huber (2003): Trauma und die Folgen – Trauma verstehen und überwinden.
- Bessel van der Kolk (2024):
Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann - Peter Levine (2011): Sprache ohne Worte – Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt.
- Thomas Hübl (2021):
Kollektives Trauma heilen: Persönliche und globale Krisen verstehen und als Chance nutzen

Fazit
Transgenerationales Trauma ist kein Schicksal, das dich für immer bindet. Es ist ein unsichtbarer Faden, der sich durch viele Leben zieht – manchmal fast unmerklich, manchmal mit voller Wucht. Doch dieser Faden lässt sich aufdröseln.
Was du fühlst, ist vielleicht nicht nur deins. Aber die Entscheidung, wie du damit umgehst – die gehört ganz dir.
Die Forschung zeigt: Traumata können sich über Generationen hinweg einschreiben: in Beziehungen, Körperempfinden, sogar in der Genaktivität. Doch genauso zeigen Wissenschaft, Therapie und gelebte Erfahrung: Heilung ist möglich. Und sie beginnt immer im Jetzt.
Wenn du dich auf diesen Weg machst, sei sanft mit dir. Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu „lösen“, sondern darum, sie zu würdigen, zu verstehen und nicht mehr tragen zu müssen. Du darfst dich befreien: für dich, und für alle, die nach dir kommen.
Du bist das Ende einer alten Geschichte.
Und der Anfang von etwas Neuem.
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